Stiftung Hephata - Von der Gründung bis heute ein Reformprojekt
Im Mittelalter wurde der Wahnsinn zum einen als medizinisch zu behandelnde Krankheit begriffen, aber teils auch im religiösen Kontext als Folge von Sünden. Die „Irren“ wurden großenteils in Familien gepflegt und bei Gefahr auch dauerhaft zuhause in sog. Tollkisten isoliert. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden sogar der Öffentlichkeit mitunter Irrenhausbesuche gegen Bezahlung als Spektakel angeboten. Häufig waren die „Irren“ zusammen mit Kriminellen in Zuchthäusern unter miserablen Bedingungen untergebracht.
Vom „Irren“ zum kranken Mitmenschen
Um 1800 werden erste Stimmen in Medizin und Kirchen laut, die auf eine Veränderung drängten. Kranke wurden als behandlungsbedürftige Menschen wahrgenommen, sie wurden von den Ketten befreit, Beschäftigung in Handwerk und Landwirtschaft strukturierten den Tagesablauf, ärztliche Visiten wurden eingeführt.
In Rheydt war es der Gemeindepfarrer Franz Balke, der sich dieser neuen Sicht auf den kranken Menschen annimmt.
Balke gelingt es 1858 Vertreter der ev. Gemeinden Rheydt, Gladbach, Viersen, Odenkirchen und des Johanniterordens von der Gründung einer Stiftung zum Bau einer „Heil-und Pflegeanstalt für blödsinnige Kinder“ zu überzeugen.
1859 wird der Taubstummenlehrer Karl Barthold Erster Direktor dieser „Anstalt“. Als Mitbegründer, Vizepräsident und später Präsident der „Konferenz für das Idiotenwesen“ in Deutschland hat er zur Entwicklung der „Hülfsschulen“ und zum Entstehen der Sonderpädagogik in Deutschland entscheidend beigetragen.
Die Reinigung des Volkskörpers in der NS Zeit
Mit solchen Plakaten, mit Filmen, Presse und in Schulen trugen die NSDAP und gleichgeschaltete Organisationen ihre rassenhygienischen Auffassungen auf breiter Ebene in die Bevölkerung. Der einzelne Kranke galt als Belastung und Gefährdung für den gesunden Volkskörper.
Zwangssterilisation
Die Nationalsozialisten stützten sich dabei auf die Eugeniker unter den Wissenschaftlern. Diesen ging es darum, wie man durch Förderung „wertvoller“ Erbanlagen in „wertvollen“ Individuen eine genetische Verbesserung des Menschen erreichen kann. Die Nationalsozialisten nutzen diese „Erkenntnisse“ für ihre rassepolitischen Ziele, den Erhalt der Macht des „arischen Herrenmenschen“. Für Minderwertige und nicht Leistungsfähige war in der „Volksgemeinschaft“ kein Platz. Ihre Fortpflanzung musste verhindert werden.
Als erbkrank im Sinne des Gesetzes galt, wer an angeborenem Schwachsinn, Schizophrenie, Manischer Depression, erblicher Fallsucht, erblichem Veitstanz, erblicher Blindheit, erblicher Taubheit, schweren erblichen körperlichen Missbildungen und schwerem Alkoholismus litt. Erbgesundheitsgerichte entschieden über die durchzuführende Sterilisation, die vom Kranken selbst, Amtsärzten und Anstaltsleitern beantragt werden konnte. 400.000 Menschen im Deutschen Reich wurden Opfer dieses Gesetzes. In Hephata sind es 235 Bewohner.
Die T4 Aktion
Der Übergang von der Zwangssterilisierung zur Ermordung von 100.000 „unnützen Essern“ fiel zeitlich nicht zufällig mit dem Kriegsbeginn 1939 zusammen. Der Krieg bildete ein weiteres grundlegendes Motiv für den Massenmord an Kranken. Krankenhausbetten, medizinischem Personal, Nahrungsmittel, Medikamente usw. sollten genutzt werden für die Kriegswirtschaft. Die sog. „T4 Aktion“ tarnte den Mord an Kranken durch deren Verlegung in Anstalten, in denen dann die Tötung erfolgte. Für Hephata wird berichtet, dass der damalige Direktor Pfarrer Hans Helmich die Meldebogen unausgefüllt zurücksendet. Was daraufhin weiter geschieht wird in der Hephata Chronik nicht erwähnt. Diese Mordaktion stieß vor allem in den Kirchen auf Widerstand und wurde deshalb im August 1941 offiziell eingestellt.
Das Morden geht weiter
Nachdem die sog. „Aktion T4“ im August 1941 offiziell beendet wurde, ging das Morden
von Kranken auf unterschiedliche Weise in einzelnen Anstalten weiter. Mit den Bombenangriffen auf deutsche Städte wurden Vorbereitungen getroffen, in Heil - und Pflegeanstalten Kapazitäten für Lazarette und zivile Kriegsopfer zu schaffen. Im Frühjahr / Sommer 1943 wurde auch Hephata fast vollständig geräumt. 549 Bewohner werden „verlegt“. Von 180 ist bekannt, dass sie in Hadamar getötet wurden. Weitere Schicksale sind unerforscht.
Wiederaufbau und Reform
Nach dem Krieg führt die Entwicklung der Stiftung über die Bewältigung der Aufbauphase über verschiedene zeittypische Entwicklungsschritte, Werkstätten für Behinderte, Errichtung eines Berufskollegs, pionierhafte Entwicklung von dezentralen Wohngruppen an mehr als 100 Adressen im Rheinland hin zum Projekt Auflösung der Sonderwelt „Anstalt“.
und arbeitet an der Entwicklung des Stiftungsgeländes zu einem stadtnahen integrativen Wohnquartier.